bm. 60 Zuschauer lockte die Premiere der Dorfbühne Wermatswil am Freitagabend in das Gujerhaus. Für die gebotene Leistung im Satirestück «S Angschts händ Schiss» konnten die Mitglieder der Theatergruppe des verdienten Applauses sicher sein.Vor der Aufführung traf man sich zu einem Apéro, und der regieführende Silvio Mira erinnerte daran, dass niemand sich durch das Theaterstück betroffen fühlen sollte. «Wenn es jemand trotzdem tut», so der Regisseur, «dann ist es aber auch gut so».
Ein «Füdlibürger» namens Eugen Angst
Gleich zu Beginn der ersten Szene, nachts um halb zwei, stürmt Eugen Angst (Hans-Ulrich Rothenbühler) aus dem Schlafzimmer, knipst das Licht an, und erzürnt sich ob dem Partylärm aus dem gegenüberliegenden Block, welcher ihn um seinen verdienten Schlaf gebracht hat. Er weiss sich aber zu helfen. Sein auf Gegenschlag pochendes Rechtsempfinden lässt ihn Mozart so laut aufdrehen, dass jetzt endlich auch seine Frau Annemarie (Ursi Däniker-Wyss) aufwacht - und ein Telefonanruf ihn an die Nachtruhe mahnt.
Am nächsten Morgen findet dann Eugen Angst noch einen zusätzlichen Grund, um sich aufzuregen: Die Tochter Marianne (Minna Studer) hat die Dusche besetzt. Und das um acht Minuten nach sechs. Wo doch er das Privileg von jeher besitzt, um diese Zeit unter der Dusche zu stehen. Es ist seine Zeit. "Es isch halt scho immer e so gsi!"
Eugen Angst ist im Grunde genommen kein leider Mensch. Er ist überaus korrekt, steht zu seinen Prinzipien - von denen er keinen Deut abzuweichen bereit ist - , und er verlangt ja nicht mehr, als dass seine Rechte, die er sich selber zugestanden hat, respektiert werden. Mit anderen Worten: Er ist nicht anders als so mancher unter uns. Akzeptiert wird einzig, was schon immer so war, Neues kann ja nur das Gewohnte gefährden. Doch während seine Frau ohne zu hinterfragen funktioniert, findet die Tochter kein Verständnis für diese Art des harmonischen Familienlebens.
Das Geschäft mit der Angst
Leute wie Eugen Angst sind potenzielle Kandidaten, zu Opfern von Verfolgungswahn zu werden. Aber da gewiefte Geschäftemacher für gutes Geld gegen alles ein wirksames Gegenmittel bereit halten, ist selbst dieses Leiden heilbar. Das Geschäft kann jedoch nur dort blühen, wo auch ein Markt vorhanden ist. Was liegt da also näher, als den Markt zuerst zu schaffen? Und dies geht nach dem bewährten Schema: Man sät ein bisschen Verdacht, lässt ihn zu Misstrauen heranwachsen und pflegt die zarte Pflanze, bis sie sich zu einem wuchernden Gebüsch der Angst entwickelt. Wenn es dann so weit ist, steht der Gärtner plötzlich im Apothekerkittel zu Diensten und fährt die Ernte ein - wer mag da schon Parallelen zum Alltag erkennen?
Überzeugende Darbietung
Mit der Wahl von «S'Angschts händ Schiss» hat die Dorfbühne Wermatswil eine glückliche Hand bewiesen. Das Stück ist unterhaltsam und leicht verdaulich, jedoch nicht ohne Doppelbödigkeit.
Die mitwirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler - in den weiteren Rollen waren Sonja Furrer-Carboni, Irene Kälin, Uschi Reale und Fabian Nussbaum zu sehen - meisterten ihre Aufgaben auf den Text wie auch auf das Mienenspiel bezogen ausgezeichnet. Fabian Nussbaum, in der Rolle des Kampfsport-Lehrers Eric Pelletier, fiel besonders angenehm auf. Dass er seinen Text während der gesamten Bühnenpräsenz mit einem so überzeugenden französischen Akzent vortrug als hätte er die Marseillese im Blut, ist schon beachtenswert. Die Betreuung der anspruchsvollen Technik liess ebenfalls keine Wünsche offen. Nach der gelungenen Vorstellung wurden die Zuschauer mit «Züri-Gschnätzletem» aus Jürg Rothmayrs Küche verwöhnt.
Auf amüsante Weise den Spiegel vorgehalten
Im Programmheft, unter dem Titel «Was kann Theater sein?» beantwortet Minna Studer auf humorvoller Art die Frage, was die Laienschauspieler zum Mitmachen motiviere. Ihre Antwort lässt noch eine Ergänzung zu: Den Leuten auf amüsanter Weise den Spiegel vorzuhalten. Ganz so, wie es die Dorfbühne Wermatswil tut. Auch das kann Theater sein.